Königsklasse Nachhaltigkeitskommunikation – es gibt noch viel zu tun
Da sind sie wieder, die nominierten fünf schlimmsten „Werbelügen“, die nach der Abstimmung durch Verbraucher mit dem „Goldenen Windbeutel“ ausgezeichnet werden.
Zehn Monate lang hatten Verbraucher auf der Plattform für Werbelügen ‚Schummelmelder.de‘, mehr als 200 unterschiedliche Produkte eingereicht, von denen sie sich getäuscht fühlen. Häufig werden versteckte Preiserhöhungen durch kleinere oder weniger befüllte Verpackungen nach einem Relaunch bemängelt. Produktbezeichnungen, die auf eine bestimmte Zutat hinweisen und diese dann nur in Spuren enthalten, werden als Schummelei beklagt. Mindestens genauso hoch ist der Anteil an Beschwerden über zu viel Zucker, Salz und Fett in expliziten Kinder- und Babyprodukten oder in vermeintlich gesunder Bioware.
Vier der diesjährigen Windbeutelanwärter stammen von dieser Plattform, der fünfte Kandidat, die haltbare Bio-Milch von Arla Foods, wurde vom Organisator der Aktion Foodwatch vorgeschlagen und hat es in sich. An diesem Beispiel kann man schön erkennen, wie schwierig es sein kann, Nachhaltigkeit zu kommunizieren.
Was ist der Grund für den medialen Pranger? Die Dänisch-Schwedische Großmolkerei (mit 10,5 Mrd. Euro Milchumsatz auf Platz 7 der weltweiten Top 20 Molkereien) lobt auf der Produktverpackung eine CO2 Einsparung von 72% aus. Direkt an der Zahl deutet ein Sternchen auf weitere Informationen, die dann auch großzügig und gut sichtbar, auf der Seite der Packung zu finden sind. Das Sternchen präzisiert die Minus 72% durch den erklärenden Zusatz: „Verglichen mit der formatgleichen Standard-Kartonverpackung von SIG-Combibloc.“ Darüber ist zu sehen, dass der Einsatz von Karton aus nachwachsenden Rohstoffen, von pflanzenbasierten Kunststoffen und der Verzicht auf Alu in Summe zu eben dieser 72%igen CO2 Reduktion führt.
Aus rechtlicher Sicht ist an dieser Art der Kennzeichnung und präzisen Erklärung überhaupt nichts auszusetzen, eine unterstellte Verbrauchertäuschung oder Werbelüge liegt hier nicht vor. Und tatsächlich wirft Foodwatch der Molkerei vor, dass sich die Werbeaussage lediglich auf die Verpackung bezieht, die laut ifeu-Institut nur für 2,5% der Gesamtemissionen verantwortlich ist und nicht auf die Milchproduktion als Ganzes.
Aus unserer Sicht kein Grund für die Nominierung für den Goldenen Windbeutel, aber sehr wohl für einen Rüffel an die Marketingabteilung von Arla. Unternehmen, die klimaintensive Produkte, wie Fleisch- oder Milcherzeugnisse herstellen, sollten sich bewusst darüber sein, dass die Auslobung von CO2 Reduktion oder Klimaneutralität als wichtigstes Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie durchaus auch negativ interpretiert werden kann.