Das Märchen der 100% oder warum dieser Wert unsozial ist
Die meisten Märchen beginnen mit „Es war einmal…“, unseres dagegen startet mit „Es wird einmal…“
… im Jahr 2025 eine EU weit gültige Quote für den Einsatz von PET Rezyklat in Getränkeflaschen in Höhe von 25% geben. Diese Verwendungsquote steigt auf 30% im Jahr 2030.
„Pah“, rufen da die Abfüller und Hersteller von PET Flaschen, „noch so lange hin und diese lumpige Quote erfüllen wir doch schon längst und sogar noch mehr! Unsere Behälter bestehen doch schon heute aus 100% rPET.“
Doch Vorsicht! Die schlaue Mathematik Zauberin wartet nur auf solche Prahlereien, sie weiß, dass für eine Flasche, die zu 100% aus rPET, also Rezyklat besteht, viel mehr Material eingesetzt werden muss, denn aus einer PET Flasche wird nicht zu einhundert Prozent wieder eine PET Flasche!
Durch Produktanhaftungen, Wasch-, Schmelz- und Mahlverluste gehen bis zu 25% des Materials verloren. Das bedeutet, um eine Flasche aus 100% rPET herzustellen, benötigt man etwa 1,25 Flaschen, es ist also ein zehrender, fast parasitärer Prozess.
Wo ist das Problem? Bei anderen Materialien wie Glas, Metall oder Papier gibt es doch auch Recyclingverluste. Der Unterschied ist, dass diese Recyclingmaterialien in nahezu unbegrenzter Menge verfügbar sind. Das ist bei PET anders. Nur die PET Flaschen aus der Einwegpfandsammlung haben die hohe Hürde genommen, als lebensmitteltaugliches Material wieder z.B. für Flaschen für Getränke eingesetzt werden zu können. Je höher der ausgewiesene Rezyklatanteil ist, desto größer ist der Bedarf nach diesem so genannten „bottle-to-bottle“ Material. Und es sind auch andere Abfüller sehr an diesem sortenreinen, noch relativ leicht verfügbaren und einfach zu verarbeitenden Wertstoff interessiert, z.B. die Wasch- Putz- und Reinigungsmittel- und die Kosmetikbranche. Die große Nachfrage führt zu höheren Preisen und einer eingeschränkten Verfügbarkeit. Und das Problem wird sich mit der Pflichtquote nur noch erhöhen.
Der Schrei nach dem Maximum und das gegenseitige Überbieten von noch höheren Recyclinganteilen ist unsozial und führt zu einem Eigentor. Mäßigung ist der richtige Ansatz, damit das System sich nicht kannibalisiert, sondern die Preise und Mengen auch in den nächsten Jahren planbar bleiben. Mal sehen, ob das verstanden wird.