Das Wunder: Papier!
Oder sollte es besser das Papierwunder heißen? Es kann alles: kompostierbar, recycelbar, ‚auf dem Weg in eine abfallfreie Zukunft‘ und rundum nachhaltig. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Glaubt man den aktuellen Meldungen zweier internationaler Nahrungsmittelkonzerne, trifft das alles auf die neue Papierverpackung zu. Einmal werden mit Zucker dragierte Schokolinsen verpackt und das andere Produkt ist ein Schokoriegel, hier laufen gerade Versuche in Testmärkten. Die Verbraucher jubeln: „Endlich!“ „Warum erst jetzt?“ Und die Marketingarmee der Multis sieht sich schon auf dem Weg der Weltrettung, wenn auf einmal von der „recycelbaren Papierverpackung“ die Rede ist.
Spätestens da werden wir doch hellhörig. War Papier jemals nicht recycelfähig? Also nur die einfache generelle Eigenschaft, dass es überhaupt recycelt werden kann? Nein, genau wie alle anderen Materialien ist das auch bei Papier möglich. Was nicht gesagt wird ist, wie gut die Recyclingfähigkeit im Speziellen ist.
Und da beschleicht uns ein Verdacht. Die Minis und die Maxis der bunten Zuckerlinsen sind auch bisher schon in kleinen rechteckigen Pappschachteln bzw. in entsprechend größeren Kartonröhrchen verpackt. Offenbar reichen diese Varianten für den Produktschutz aus. Und während bislang ein einfacher, sicher sehr gut recyclingfähiger, Folienbeutel die Sammelfunktion übernommen hat, wird nun sehr werbewirksam ein Papierbeutel eingesetzt. Und der soll natürlich die gleichen Leistungen bringen wie die Folie: Exzellentes Druckbild, hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten auf den vorhandenen Abpack- und Abfüllmaschinen, ein wenig Barriere ist auch nicht schlecht. So wird aus einem einfachen Papier ein funktionales und technisch ausgestattetes Material. Durch die Herstellung von Eigenschaften wie Barriere, Siegelfähigkeit und glatten, gut bedruckbaren Oberflächen leidet aber die gute Recyclingfähigkeit und die Qualität der zu recycelnden Faser sinkt.
Die Papierlösung bietet kurzfristig den Imagegewinn, da der Verbraucher es als nachhaltig empfindet. Langfristig überwiegen die Nachteile: schlechtere Recyclingfähigkeit, höheres Gewicht, was auf den Verpackungsverbrauch insgesamt angerechnet wird. Schlechtere Abpackperformance und höhere Packstoffkosten, was aber sicher durch höhere Preise oder geringere Produktmenge aufgefangen werden kann.
Nachhaltige Lösungen, ja sehr gerne, aber nur, wenn sie ganzheitlich das gesetzte Ziel erreichen.