Eine wirre Regelungswut erzeugt Ratlosigkeit, Unsicherheit und Frust. Der neue Mindeststandard 2022 erschwert auf einer gänzlich theoretischen Ebene die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, diskriminiert pauschal Packhilfsmittel wie Haftetiketten und erkennt nicht mal die eigenen Vorgaben an.
Ab jetzt muss der Glasanteil, der sich hinter einem wasserfesten oder hydrophoben Kunststoffhaftetikett befindet, vom Wertstoffanteil und somit dem Wert der Recyclingfähigkeit abgezogen werden. Der Einsatz von wasserfesten Etiketten, übrigens egal, ob aus Kunststoff oder aus Papier, erfolgt überwiegend da, wo durch große Temperaturunterschiede bei der Abfüllung oder in der Logistik hohe Feuchtigkeit auf der Oberfläche zu erwarten ist, wie z.B. bei der Heißabfüllung von Molkereiprodukten. Auch die Tiegel und Flaschen im Badezimmer sind hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt und sollten sich möglichst nicht ablösen. Ein Creme Tiegel mit einer Rundumbeklebung verliert unter Umständen nun bis zu 60% seines Wertstoffanteils, aber nur in der Theorie, denn in der Recyclingpraxis findet der Wertstoff sicher weiterhin seinen Weg in die Schmelzöfen.
Sehr schön auch, dass es in Zukunft vom Füllgut abhängt, ob die gleiche Art der Verpackung einem zusätzlichen kostenpflichtigen Test auf Recyclingfähigkeit unterzogen werden muss oder nicht. Abfüllung von Nüssen oder Müsli in den „beidseitig beschichteten Pappbecher“ heißt: keine Prüfung. Abfüllung von Suppe oder Pudding in den gleichen „beidseitig beschichteten Pappbecher“ bedeutet: Prüfung auf Recyclingfähigkeit nach bekannter Methode und weil das Testen so schön ist, auch nach einer noch nicht veröffentlichten Testmethodik. Verbunde zieht euch warm an!
Locker darf es der schon bekannte weltgrößte Hersteller von PA sehen, denn sein einzelnes, spezifiziertes und rezeptiertes PA gilt nun als Ausnahme und wird auch noch als besonders begrüßenswertes Engagement gefeiert. Gleichzeitig ist die ZSVR nicht in der Lage, ihre im Mindeststandard selbst formulierten Beispiele zum Einzelnachweis für die Anwendung in der Praxis zu validieren.
Die Bedeutung der Änderungen und Vorgaben, die ohne jegliche Übergangsfristen eingefordert werden, stellen die Inverkehrbringer vor riesige Herausforderungen. Immer stehen Investitionen dahinter, teilweise auch im Millionenbereich, die nicht mal eben nebenbei zu stemmen sind.
Keine Prüf- und Kontrollmethoden, fehlende Rechts- und Planungssicherheit schaffen Frust und Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund liest sich der Satz aus der Pressmitteilung schon fast wie eine Drohung: „Basierend auf den Ergebnissen von künftigen Studien sind noch präzisere Regelungen in diesem Bereich geplant.“
Gibt es ergebnisoffene Studien oder wird ein erwartetes Ergebnis beauftragt? Wir bleiben dran.