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TILISCOS KOLUMNE – Schluss mit den Märchen!


Schluss mit den Märchen!

Es war einmal… Wenn ein Gespräch so anfängt, ist wenigstens gleich klar, dass es sich um ein Märchen handelt, in dem Wunder und fantastische Dinge passieren können.

 

Aber bei Verkaufsgesprächen oder dem Anwerben von Investoren sollten doch die Fakten zählen. Fakt und Geständnis zugleich: Auf dem Bild oben, ist eine, die regelmäßig „Die Höhle der Löwen“ schaut. Ein TV-Format, in dem sich Erfinder von mehr oder weniger praktischen Dingen, fünf Investoren präsentieren und auf eine großzügige, meist finanzielle Unterstützung hoffen. Jetzt hat es also ein Unternehmen in diese lukrative Werbesendung geschafft, das nicht weniger verspricht als die Welt von Plastikverpackungen zu befreien. Und zwar mit einer „zertifiziert plastikfreien und kompostierbaren Folie“, die aus nur drei Zutaten besteht: aus Zellulose, Glycerin und Wasser. Die Kompostierung erfolgt in nur ca. vier Wochen, wie das Unternehmen in einem Zeitraffervideo zeigt.

Die Investoren sind begeistert: „Das ist ja mega“, „Saustark“ und „Sensationell“. Hier bietet sich offenbar eine einfache Lösung für alle Verpackungsprobleme, inklusive des vollmundigen Versprechens, dass das Produktportfolio einzigartig auf dem europäischen Markt sei. Moment mal, handelt es sich hier nicht um Zellglas, einen der ältesten Kunststoffe?

Na klar! Und das beantwortet auch diese Frage der Wirtschaftsexperten: „Wenn sie so einzigartig sind, müssten Ihnen die Produzenten doch die Türen einrennen?“ Die Unternehmer machen für die geringe Nachfrage vor allem den höheren Preis verantwortlich.

Zellglas ist teuer in der Herstellung, weil die Holzfasern in Natronlauge und Schwefelkohlenstoff aufgelöst werden müssen, die daraus entstehende transparente Zellulose wird mit Glycerin gemischt und dann entweder zu Viskosefasern versponnen oder durch einen engen Spalt zu Zellglas verpresst. Für ein funktionsfähiges Packmittel, das die Schutzanforderungen der Lebensmittel erfüllt sowie auch maschinell verarbeitbar ist, ist fast immer die Zugabe von Additiven oder Lackierungen notwendig. Was hier für Zellglas erlaubt ist, ist detailliert auf zehn Seiten in der Anlage 2 des Bedarfsgegenständegesetz nachzulesen.

Ein Deal kam nicht zustande, aber nicht, weil die Löwen verstanden haben, dass die vorgestellte Verpackung nicht die Antwort auf alle Plastikfragen ist, sondern weil es keine Einigung über die Höhe des Invests und die entsprechend abzugebenden Firmenanteile gab.

 

Das Märchen vom universal einsetzbaren Verpackungsmaterial, das sich nach Gebrauch in Nichts auflöst, endet in diesem Fall also nicht mit einem guten Ende. Und wenn es nicht geändert wird, dann funktioniert es auch nicht heute…

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TILISCOS Kolumne im PackReport 04/2021
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