Teilsieg errungen, aber nichts gewonnen
Der Anbieter des „plastic free“ Zeichens gibt auf und wird keine Zertifikate mehr ausstellen. Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt jemals von einem Siegel oder zertifizierten Nachweis sprechen konnte. Noch nie haben wir zwei Kolumnen zu genau dem gleichen Thema geschrieben, aber diesmal lohnt es sich, denn es gibt etwas zu feiern.
Um die Freude zu verstehen, schauen wir ein wenig zurück. Im Januar 2017 wurde die britische Organisation „A Plastic Planet“ mit dem Ziel gegründet: „Die Welt zu entflammen und zu inspirieren, den Plastikhahn zuzudrehen“. 2019 wurde das „Plastic Free Certification Mark“ eingeführt. Supermärkte in England und Holland bestücken seitdem werbewirksam ganze Regalgänge mit „plastikfreien“ Verpackungen.
Die Anforderungen, um das Zeichen aufbringen zu dürfen, sind denkbar einfach: Die Verpackung muss aus kompostierbaren Materialien (Biomaterialien) - die zertifiziert kompostierbar sind und mindestens 50 % biobasierten Kohlenstoff enthalten, bestehen. Das heißt, jede Verpackung, die die anerkannte, international gültige Norm DIN EN 13432 erfüllt, kann das „plastic free“ Zeichen aufbringen, auch wenn hier nach 12 Wochen Kompostierung unter definierten Bedingungen immer noch 10% Reststoffe abgesiebt werden dürfen - inklusive nicht abbaubarer Kunststoffe.
Und genau darin liegt das größte Missverständnis: in der Begrifflichkeit. Wenn das Siegel „plastic free“ kommuniziert, gibt es ja nur wenig Zweifel, was die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zur Bedeutung sein kann, nämlich: kein Plastik, frei von Plastik, nichts, was wie Plastik aussieht, auch kein Bioplastik oder aus „nachwachsender Cellulose“.
Finde den Fehler: die Hersteller von kompostierbaren Materialien lachen sich ins Fäustchen, die Abfüller freuen sich über einen starken Claim im Regal und der Verbraucher wird veräppelt, weil es sich um einen klaren Fall von Greenwashing handelt.
Das hat „A Plastic Planet“ nun offenbar auch erkannt, sicher auch, weil wir von TILISCO bestimmt nicht die einzigen waren, die auf diesen offensichtlichen Missstand hingewiesen haben. Natürlich gibt man sich keine Blöße, sondern begründet den Rückzug mit Interessenkonflikten, ah ja! Uns und unsere Kunden freut es, aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Die Nachhaltigkeit wird nur allzu leicht für Marketingversprechen ausgenutzt, dabei muss der ambitionierte Anspruch erhalten bleiben, Ressourcen maximal zu schonen und die bestmögliche Verpackungslösung, gemessen an den Anforderungen des Produkts, ohne Greenwashing zu finden!